Politik, Kultur und Kult im Kreishaus Herford beim ROTEN JAHRESAUFTAKT

Andreas Höltke

 

Die Aushöhlung des Sozialstaates sei in Wahrheit bereits lange vor dem Eintreffen der vielen Asylbewerber munter vorangetrieben worden: „Hartz IV, die Senkung der Renten, die Aufhebung der paritätischen Krankenkassenbeiträge, fehlende Sozialwohnungen, der Abbau von Personal in den Sektoren Bildung, Pflege und öffentliche Verwaltung – nichts davon ist neu“, zählte Riexinger auf. Deshalb sei es höchste Zeit für ein groß angelegtes Investitionsprogramm, mit dem bezahlbare Wohnungen für alle – Flüchtlinge, aber eben auch Rentner oder Studenten – geschaffen würden. Mit dem Lehrer oder Verwaltungskräfte eingestellt würden, um schnelle Integration voranzutreiben. Oder mit dem die Einsatzkräfte der Polizei zu stärken seien. Apropos Polizei: Dass es möglich gewesen sei, dass tausende junge Männer in der Silvesternacht vielerorts über Stunden ihre Übergriffe auf Frauen starten konnten, sei „ein Staatsversagen allererster Güte“. Er sei lange genug Gewerkschafter gewesen, um zu wissen, dass innerhalb weniger Minuten genug Polizei zur Stelle sein könne, um sensible Bereiche abzusperren oder zu schützen.

Um die Maßnahmen auch bezahlen zu können, wäre die Einführung einer Vermögenssteuer von fünf Prozent notwendig. »Bei einem Freibetrag von einer Million Euro kämen so im Jahr in Deutschland 80 Milliarden Euro zusammen«, rechnete Riexinger vor. Um das „Flüchtlingsproblem“ aber langfristig zu lösen, müssten als erstes die Hauptursachen für die Flucht gelöst werden, und das seien die Kriege. Dass Deutschland noch immer Waffen nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate liefere, sei fatal, denn: „Jede Waffe tötet, und mit dem Tod macht man kein Geschäft!“. Ferner müsse die Armut in vielen Ländern bekämpft werden, um Flucht zu verhindern. Tatsache aber sei, dass Deutschland bei der Entwicklungshilfe nicht einmal den selbstgestellten Verpflichtungen nachkomme. Innerhalb Deutschlands müssten die Flüchtlinge so schnell wie möglich fair verteilt werden. Denn dann kämen aktuell auf 1000 Einwohner lediglich 15 Flüchtlinge, „und das dürfte für unsere Gesellschaft doch wirklich zu schaffen sein“. Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender der Partei »Die Linke«, sieht in Friedensinitiativen ein zentrales Mittel gegen die weltweiten Flüchtlingsströme. Denn Krieg und das damit einhergehende Elend seien die Hauptgründe dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen.

Diether Dehm, Abgeordneter der Partei Die Linke und Schatzmeister der Europäischen Linken kombinierte musikalische und politische Elemente bei seinem Auftritt im Kreishaus. Bekannt ist der Politiker, Liedermacher und Sänger unter anderem durch Titel wie Faust auf Faust und Monopoly. Im Weiteren komponierte er diverse Lieder für Klaus Lage, Dieter Hildebrandt und Albert Mangelsdorff. Abgerundet wurde das beeindruckende Programm durch den Kabarettisten Gerd Büntzly, der mit Einigen Einlagen aus den 20er Jahren glänzte und der Herforder Kultband Kakadu Combo. Diese sorgte dafür, dass die Anwesenden bis zum Ende der Veranstaltung zu Liedern aus den 50er und 60er Jahren tanzten.

Inge Höger nahm bei ihren Grußworten direkten Bezug zu den Flüchtlingsursachen und erinnerte daran, dass eine große Mehrheit der Regierungskoalition, unterstützt von Teilen der Grünen, für eine Aufstockung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan gestimmt hat. „Offensichtlich will sich nach dem Einstieg in den Syrienkrieg keiner der politisch Verantwortlichen eingestehen, dass schon die erste Runde des so genannten „Krieges gegen den Terror“ auf der ganzen Linie gescheitert ist. In Afghanistan gibt es heute mehr Armut, Unterdrückung und Gewalt als vor 2001“, so Höger. Gleichzeitig hat Verteidigungsministerin von der Leyen keinen Zweifel daran gelassen, dass die deutsche Rüstungsindustrie sich schon jetzt für die Kriege der Zukunft engagiert: 200 Panzerabwehrraketen und 400 G-36 plus zehn Millionen Schuss sollen in den Nordirak geliefert werden, berichtet auch die junge Welt. Darüber hinaus stellte Inge Höger den Kampagneninhalt „Ein Dach über dem Kopf ist noch kein Zuhause“ vor. Der Ansatz dieser Aktion ist die Forderung an die Landesregierung NRW gute Wohnbedingungen für alle Menschen im Land zu schaffen. Der seit vielen Jahren vernachlässigte Soziale Wohnungsbau soll wieder in den Fokus gerückt werden, anstatt weiterhin mit Privatisierungen und Leerständen zu leben. „Es muss endlich aufgehört werden, geflüchtete, Arme und Obdachlose gegeneinander auszuspielen“. Darüber hinaus wird eine soziale Infrastruktur für alle gefordert, anstatt weiterhin reichen Steuerflüchtlingen den Rücken zu stärken.

Es war ein informativer und motivierender Abend, der die Gäste mit Kraft und Mut in das Jahr 2016 starten lies, um mit aller Kraft für eine soziale und menschliche Gesellschaft zu streiten.

Videos vom Jahresauftakt:

Kakadu Combo1 Kakadu Combo2 Kakadu Combo3 Bernd Riexinger Diether Dehm1

Diether Dehm2 Diether Dehm3

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