"Es trifft wieder einmal die Ärmsten."

Michaela Podschun

Vlotho/Kreis Herford (va).

Verliert die Weserstadt bald das eigene Jobcenter?

Müssen Vlothoer womöglich nach Löhne fahren? Noch ist nichts entschieden, doch die politischen Fraktionen wehren sich.

"Bewährte Strukturen werden zerschlagen. Es kann nicht angehen, dass es wieder einmal die Ärmsten trifft".

Die heimischen Lokalpolitiker, die am Mittwochabend vor dem Jobcenter an
der Poststraße demonstrierten, fanden deutliche Worte. Dass es womöglich bald keine eigene Außenstelle mehr in Vlotho gibt, kritisieren sie aufs Schärfste.  Stein des Anstoßes ist ein Gutachten, das bereits vor einem Jahr im Kreisausschuss auf dem Tisch gelegen hat, allerdings jetzt erst öffentlich diskutiert wird. Das Jobcenter Herford hat seine Organisationsstruktur prüfen lassen, es möchte effektiver arbeiten. Leistungs-Sachbearbeitung und Vermittlung sollen demnach getrennt werden. Acht Standorte könnten auf vier reduziert werden. Es blieben Herford (für 6.000), Löhne (2.400), Bünde (2.500) und Enger (für 900 Kunden). Die Folge: 480 Vlothoer müssten künftig nach Löhne zur Beratung fahren, die 500 Hiddenhausener nach Herford; 180 Rödinghauser und 360 Kirchlengeraner nach Bünde. "Das bedeutet für uns Fahrzeiten nach Löhne, höhere Kosten, ein größerer Zeitaufwand", machte Sabine Selberg-Scherfeld, die SPD-Fraktions-Chefin deutlich. Die SPD und auch alle anderen Parteien sehen eine massive Verschlechterung auf die Stadt zukommen. Linken-Sprecher Hans Schemel:" Im Gutachten ist die Rede von acht Minuten Mehraufwand für die Zugfahrt nach Löhne, dann noch fünf Minuten Fußweg. Wer es glaubt! Und die meisten Hartz-IV-Empfänger bekommen noch nicht einmal Fahrtkosten erstattet!"   
Am Vlothoer Standort stehen neun Mitarbeiter in der Erstberatung, im Fallmanagement, im Leistungsbereich und in der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Es werde effektiv gearbeitet, insbesondere durch die Kundennähe ergebe sich eine gute Vermittlungsquote.  Zudem kooperiere das Jobcenter Vlotho intensiv mit anderen Ämtern, Schulen, der
Schuldnerberatung, dem Kinderschutzbund und den Kindergärten, betonte die SPD. "Diese Vernetzung wird zerschlagen", ärgerte sich auch Ulrich Ammon (FDP). Harald Kuhlmann (Grüne Liste Vlotho) entgegnete, dass das Jobcenter Herford wohl nur Geld sparen wolle.   "Auf der Begrüßungsseiten des Jobcenters im Kreis Herford steht, dass eine möglichst nahe Kundenbetreuung realisiert werden soll. Deshalb habe man sich dezentral organisiert. Dies bedeutet, wir haben bislang Standorte in nahezu allen Städten und Gemeinden des Kreises Herford", so Sabine Selberg-Scherfeld. Das jeweils für sie zuständige Jobcenter-Team finden
die Kunden an ihrem Wohnort. Und so solle es auch bleiben, lautet die Forderung der Politiker. In der Ratssitzung im Juli ist vorgesehen, eine Resolution zu unterzeichnen. Bürgermeister Bernd Stute hat indes Ende Mai einen Brief an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, geschickt. Bei ihrem Besuch in Kirchlengern im November 2011 hatte sich von der Leyen die integrierte Geschäftsstelle des Jobcenters Herford angeschaut.  Stute nimmt darauf Bezug und äußerst sich kritisch: "Dem Gutachten fehlt eine konkrete Begründung bezüglich der organisatorischen Maßnahmen. Es werden keine Gründe, Berechnungen, Sachargumente oder Beispiele angeführt."
Es entstünde der Eindruck, dass durch eine Zusammenlegung von Standorten lediglich das Controlling optimiert werden soll. Bei der Reduzierung auf vier Standorte hätten insgesamt 66.000 Menschen im Kreis Herford keine Jobcenter-Geschäftsstelle mehr in ihren Heimatkommunen.